Feminismus, der
Worttrennung: Fe | mi | nis | mus
Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen (z.B. der klassischen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur anstrebt. (Quelle: Duden)
Diese Definition klingt im ersten Moment ziemlich veraltet, wenn man die Verhältnisse in Deutschland betrachtet. Klassisches Rollenbild, Patriarchalismus – kaum ein Mann noch eine Frau stellen sich noch das durchgehend klassische Bild des Mannes als das finanziell unabhängige Oberhaupt einer Familie vor, in der die Frau außer beim Kochen und bei der Kindererziehung nichts zu sagen hat. Doch das Wort Feminismus ist trotzdem in aller Munde und „Feministin“ wird häufig fast als Schimpfwort benutzt. Man meint beinahe, es hat eine ähnliche Macht wie „du Nazi!“, wenn man sieht, wie Frauen für die Forderung nach eigentlich selbstverständlichen Dingen damit beschimpft werden.
Um das klarzustellen – nicht nur Männer benutzen das als Schimpfwort, es scheint eher ein allgemeines Problem mit diesem Begriff zu sein, wird er doch häufig eher negativ konnotiert. Eine Feministin hat IMMER raspelkurze Haare, allermindestens 25 Piercings, ist im Optimalfall Lesbe und hasst das männliche Geschlecht ganz im Allgemeinen. Sie ist nicht zu einer sachlichen Konversation fähig und versucht jedem mit ihren Gehirnwäscheähnlichen Aussagen auf den Sack zu gehen und das andere Geschlecht möglichst einzuschränken – so sieht das klassische Bild aus.
Wenn man sich selbst als Feministin bezeichnet, wird man tendenziell schief angeschaut – deshalb ist mit dem Begriff eher vorsichtig umzugehen, wenn man sich nicht unbedingt in der breiten Masse unbeliebt machen will. Dabei vertritt beinahe jede Frau die ich kenne Ansichten, die in der reinen Definition als feministisch bewertet werden müssten. Für mich ein klares Zeichen, mit diesem Stigma aufzuräumen, und das Bild diese Begriffs etwas klarer zu formen. Denn genauso wie nicht jeder AFD-Politiker ein Nazi ist, ist nicht jede Feministin Männerhasserin. Im Folgenden werde ich herausfinden ob ich Feministin bin – und mich anschließend auch konsequent nach dem Ergebnis dieser Recherche bezeichnen.
Zuerst ist zu erwähnen, dass Feminismus nicht gleich Feminimus bedeutet. Die unterschiedlichen Strömungen des Feminismus sind sich genauso wenig ähnlich wie ein Apfel einer Birne. Die verschiedenen Feminismustheorien besinnen sich zwar alle auf dieselbe Basis, nämlich der Selbstbestimmung und Gleichheit der Frau gegenüber dem Mann, die Ansätze unterscheiden sich jedoch deutlich und können nicht verallgemeinert werden. Manche Feminismustheorien wiedersprechen sich oder wollen komplett unterschiedliche Dinge. Um diese durchaus relevanten Unterschiede aufzuzeigen, habe ich versucht, die Unterscheidung der am häufigsten genannten Feminismusströmungen möglichst prägnant aufzuzeigen.
Der in den 60er Jahren geborene, radikale Feminismus fordert die Überwindung des Patriarchats durch eine Revolution und kritisiert die milderen Strömungen des Feminismus als relativ sinnlos. Radikale Feministinnen fühlen sich in der Arbeitswelt ausgebeutet, während Differenzfeministinnen die komplette Verschiedenheit von Männern und Frauen betonen und sich deshalb dafür einsetzen, dass die Fähigkeiten der Frauen wie Empathie auch im Berufsleben erkannt und an den richtigen Stellen gezielt eingesetzt werden. Frauen können sich unter sich am besten entfalten, heißt es hier. Manche Differenzfeministinnen befinden sich in der Untergruppe der Öko-Feministinnen und beziehen sich auf die besondere Verbindung der Frau zur Natur im Zusammenhang mit dem Umweltschutz. Dem entgegen steht der Queer-Feminismus, der dagegen kämpft, Menschen in zwei Gruppen einzuteilen – Geschlechtsunterschiede sind hier vollkommen irrelevant, Gleichberechtigung soll auf der Grundlage des Menschseins aller stattfinden. Während der Sexpositive Feminismus für die sexuelle Freizügigkeit und der Black-Feminismus für die Gleichberechtigung schwarzer Frauen kämpfen, sieht der Femonationalismus hingegen einen klaren Grund für Sexismus in Europa: Geflüchtete Mitbürger. Der Anarcha-Feminismus möchte Gleichberechtigung durch die Abschaffung von Ehe, Kapitalismus und Nationalstaaten, die Ausrufung einer Anarchie und einer gemeinschaftliche Zusammenarbeit aller Menschen auf dieser Grundlage erreichen und stellt damit das Gegenstück zum eher rechtsflügligen Femonationalismus dar.
Die wohl jedoch am weitesten verbreitete Strömung ist der Mainstream-Feminismus. Was direkt wieder so nach normalo und „das denkt doch jeder“ klingt, wird von den anderen Strömungen als zu mädchenhaft, nicht willensstark genug oder unnütz kritisiert und erfüllt damit genau das Mainstream-Klischee. Junge, urbane, hippe Menschen nennen sich Feministen und meinen damit zum Großteil wohl genau diesen Teil des Feminismus, der sinnvolle Forderungen stellt, welche nicht gleich das ganze System umkrempeln. Meiner Meinung nach wird in dieser Feminismus-Strömung mehr reagiert als agiert – auf den Kevin Spacey-Skandal folgt „#metoo“, ein Hashtag, der feministische Themen in die breite Öffentlichkeit rückt und damit großflächig Aufmerksamkeit erregt. Sobald jedoch ein anderes Thema aufflammt, ist der Feminismus erstmal wieder aus dem Großteil der Medien verschwunden.
Es gibt also nicht diesen, genau den einen Feminismus, den man entweder total bescheuert oder total toll finden kann, oder ein typisches feministisches Rollenbild. Und es existieren, wie bei jeder politischen Meinung, viele Graustufen dazwischen. Denn wenn ich mir diese Theorien so durchlese, ist das einzige, womit ich mich sehr grob identifizieren kann, der Mainstream-Feminismus – auch wenn mich dort die fehlende Aktion stört. Ich bin weder rechts noch links, will keine Revolution und vor allem halte ich mich in keinem Sachverhalt für irgendwie besser als den Durchschnittmann. In kein Schema passe ich wirklich hinein.
Im Allgemeinen sehe ich im Alltag einfach zu viele Probleme. Nicht nur bei mir selbst, auch bei anderen. Sexualisierung, das typische Nicht-ernst-genommen werden – und da geht es mir im Vergleich zu anderen Frauen wahrscheinlich noch relativ gut. Aber es kotzt mich einfach an – ja, genau diese Wortwahl ist genau das was ich sagen will – es KOTZT mich an, bei den immer gleichen Themen immer und immer wieder belehrt zu werden, wenn ich meinen Mund zu bestimmten Themen aufmache. Damit, dass das doch „schon lange nicht mehr so ist“. Doch, ist es. Damit, dass Männer doch auch unterdrückt werden. Ja, richtig, da gibt es Themen – aber das macht mein Recht darauf, den Mund aufzumachen, wenn mich etwas stört, nicht nichtig.
More rights for me does not mean less rights for you. Und damit identifiziere ich mich ganz klar als Feministin im Grossen und Ganzen, denn ich werde auch weiterhin nicht den Mund halten, wenn mich ein gesellschaftliches Thema – wie so schön gesagt – ankotzt. Denn das ist genau meine Definition von Feminismus – etwas das mir nicht passt im Gespräch an den Pranger zu stellen, mich nicht vor einer anderen Meinung zu ducken und die Gleichberechtigungsverhältnisse kritisch zu betrachten, sowohl die des Mannes als auch die der Frau. Denn wie genau ich feministisch bin, kann ich immer noch selbst entscheiden – ich brauche keine Schublade. Und alle anderen Feministinnen auch nicht.
Dankeschön.
Quellen der vorangegangenen Recherche:
Barrer, Jovin: „Den“ Feminismus gibt es nicht! (2018), abgerufen unter https://www.watson.ch/leben/wissen/283894894-den-feminismus-gibt-es-nicht-hier-sind-10-ganz-unterschiedliche-stroemungen
Von Bargen, Henning: Feminismus im Überblick (2018), abgerufen unter https://www.boell.de/de/2018/06/29/feminismus-im-ueberblick
Holland-Cunz, Barbara: Was ihr zusteht. Kurze Geschichte des Feminismus (2018), abgerufen unter https://www.bpb.de/apuz/267936/was-ihr-zusteht-kurze-geschichte-des-feminismus
https://www.duden.de/rechtschreibung/Feminismus
Wadhawan, Julia: Ab wann ist jemand eine Feministin? (2017), abgerufen unter https://www.bento.de/politik/feminismus-heute-was-der-begriff-bedeutet-und-ab-wann-jemand-feministin-ist-a-00000000-0003-0001-0000-000001331261
Krause E. (2003) Begriffe, Strömungen und Theorieansätze. In: Einführung in die politikwissenschaftliche Geschlechterforschung. Politik und Geschlecht, vol 11. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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