Korfu, Tag 4.

Rentnerausflug.

Mein vierter Tag auf der Insel beginnt bereits mit dem Frühstück um sieben Uhr. Für heute ist ein Ausflug geplant, die sogenannte Nord-Tour mit Neckermann-Reisen. Schon beim Einstiegen in den Bus wird mir klar, dass meine Anwesenheit den Altersdurchschnitt auf diesem Ausflug um rund zwanzig Jahre senkt. Da der Bus schon per se nicht pünktlich am Hotel ankommt, ist ja schließlich in Griechenland, sind Fritz und Margarethe noch gerade so rechtzeitig zur Abfahrt am Treffpunkt. Auf den ersten Metern der Fahrt entdecke ich bereits mehrere Exemplare typischer griechischer Arbeitergespanne: einer macht irgendetwas undefinierbares, wie mit einer Rohrzange an einem kaputten Rohr mitten auf der Straße hantieren, während der andere daneben steht und schwer gestikulierend telefoniert. Der Bus ist voller Franzosen, ich bekomme schon Angst, mir den ganzen Tag Reiseführung auf Französisch antun zu müssen, doch dann halten wir in Kerkyra (Korfu Stadt) noch einmal an, und alle Franzosen verlassen den Bus. Dafür steigen noch ganz viele andere Deutsche aus anderen Hotels ein, ihrer Zeichen nach natürlich auch im Rentenalter. Anschließend beginnt die wilde Fahrt. Unser Reiseführer Maikos spricht überraschend gut deutsch, der Busfahrer heißt Spiros, nach Korfus Schutzpatron, dem Heiligen Spiridon.  Maikos behauptet direkt zu Anfang, Spiros sei der Beste seines Fachs, was ich schon zu diesem Zeitpunkt bezweifle, aber mehr dazu später.

Von Kerkyras Hafen aus fahren wir gen Westen an die Küste der Insel und erfahren auf dem Weg viel zu Geschichte und Kultur Korfus. Die Insel stellt eine Sichelform da, die breiteste Stelle ist um die 30 Kilometer breit. Das Meer zwischen Korfu und Albanien ist nur ungefähre 70 Meter tief und an der engsten Stelle gerade einmal drei Kilometer breit. Bei Kerkyra handelt es sich um die größte mittelalterliche Stadt Griechenlands, da Korfu als einzige von allen ionischen Inseln seit je her von schweren Erdbeben verschont blieb. Die Landschaft ist extrem grün und fruchtbar. Millionen von Olivenbäumen wachsen hier, welche derart gedeihen, dass die Haine sich über die Jahrhunderte zu dichten Wäldern entwickelten. Dies ist einerseits dem vorteilhaften Klima, andererseits aber auch dem hohen Wasservorkommen mit zahlreichen Flüssen, Wasserfällen und Lagunen geschuldet. Der korfiotische Dialekt hört sich für ungeübte Ohren mehr nach italienisch an als nach griechisch, dies rührt von der 400-jährigen Venezianischen Herrschaft auf der Insel her. 98 Prozent der Inselbevölkerung sind orthodox, es gibt nur drei katholische Kirchen auf der gesamten Insel.

Unser erstes Ziel stellt das Dorf Paleokastritsa dar. Hier wurde der James Bond Film „In tödlicher Mission“ in den 80ern gedreht, erklärt Maikos begeistert. Wir steigen am Strand aus, Treffpunkt zurück am Bus ist um zwanzig nach Zehn. Ich begebe mich zu einer Bootsanlegestelle und mache mit einigen anderen Mitreisenden eine Nachentour durch die bekannten Grotten Paleokastritsas. Meine Mitfahrenden sind hauptsächlich Sachsen und machen sich ständig darüber lustig, dass sie Angst haben, unterwegs ins Wasser geworfen zu werden, da man so Touristen ja bekanntlich am einfachsten loswird – sehr witzig. Vor jeder Grotte müssen wir mit dem Boot anstehen, da natürlich noch mehr Touristen auf das Angebot der Bootstour angesprungen sind. Dementsprechend verstopft sind die beliebten Anfahrziele der Touri-Kapitäne. An den Wänden der kleinen Meereshöhlen, die wir mit dem in der Brandung schwer schaukelnden Boot durchfahren, sind farbenfrohe, lila und blau leuchtende Algen zu erkennen. Schwärme von Fischen schwirren um unser Boot. Hier schlägt das Herz eines jeden Biologielehrers höher. Nach Abschluss der Bootstour ist die Abfahrtszeit des Buses bereits verstrichen. Ich beeile mich, komme eine Viertelstunde zu spät und bin trotzdem die Erste im Bus. Als alle wieder auf ihren Plätzen sitzen, sind weitere zehn Minuten vergangen, und Maikos betont noch einmal, dass im Bus nicht gegessen wird. Den Sachsen fällt vor Schreck über diese Äußerung beinahe die Semmel in den Fleischsalat.

Unser nächstes Ziel ist das Dorf Lákones, das eine atemberaubende Aussicht über die Buchten um Paleokastritsa bietet. Hier halten wir für eine halbstündige Foto- und Kaffeepause. Die Aussicht ist einfach spektakulär und ich bitte eine Sächsin, ein Foto von mir zu machen. Das Bild ist verwackelt, ich stehe komplett im Schatten und der Horizont ist unfassbar schräg im Bild. Wir fahren ungefähr fünfhundert Meter weiter zu einem winzigen Kloster, das nur von zwei Nonnen bewohnt wird. Hier gibt es erneut eine Fotopause. Wieder versuche ich mein Glück, in der Hoffnung, doch noch ein gutes Bild von mir zu erhaschen, und bitte den Österreicher mit der unfassbar vorlauten Frau darum. Dieser muss zuerst noch sein Zigarillo fertigpaffen, an dem er gefühlt ohne Unterlass zieht, und kriegt dann auch kein gescheites Bild auf die Reihe, denn er ist offensichtlicherweise komplett besoffen. Trotzdem gibt er sein bestes und versucht mich, ständig schwankend, mit lautem „gugguck!“ zu einem freundlichen Gesichtsausdruck zu bewegen. Dieser fällt mir allerdings schwer, da ich mehr um meine Kamera besorgt bin, als um mein Gesicht auf dem resultierenden Bild.

Auf der weiteren Fahrt informiert Maikos die Gruppe über die Oliven Korfus. Alle Olivenbäume Korfus sind derselben Art angehörig und produzieren feinstes Olivenöl. Jeder Teil des Olivenbaumes wird genutzt, das Holz für Möbel und als Brennmaterial, die Blätter als Nahrung für Tiere und die Oliven für die zahlreichen Olivenprodukte, die neben dem Kumquatlikör das bekannteste Erzeugnis der Insel darstellen. Das hochqualitativste Olivenöl kann aus noch unreifen Oliven gewonnen werden, dieses kann allerdings nicht im Handel erworben, sondern muss speziell beim Erzeuger bestellt werden. Neben dem Speiseöl wird Olivenseife hergestellt, welche in vielen Zusammensetzungen und Variationen erhältlich ist. Für Haut, Haare und Wäsche gibt es jeweils spezielle Produkte mit für das jeweilige Anwendungsgebiet idealen Eigenschaften. Fritz ist bekanntlich Olivenölliebhaber und informiert mich, dass er sich jährlich etwa zwanzig Liter Olivenöl aus Kreta einfliegen lässt.

Die Mittagspause verbringen wir am Strand von Acharavi. In einer dortigen Taverne esse ich köstliches Mousakas (griechische Form von Lasagne) mit Knoblauchbrot. Anschließend wartet der gesamte Bus auf den immernoch oder schon wieder besoffenen Österreicher, der das Zeitmanagement wohl nicht ganz im Griff hat und genau jetzt noch unbedingt ein Eis essen muss. Anschließend folgt eine längere Busfahrt zum nächsten Ausstiegspunkt. Spiros fährt wie eine gesengte Sau. Jedes Schlagloch passieren wir mit maximaler Geschwindigkeit (die Franzosen in der Affenschaukel schreien dann immer ganz laut „ouuuuh“). Wir kriegen genauso oft die Vorfahrt genommen, wie wir sie nehmen. Und das ist oft. Außerdem kriege ich jedes Mal fast einen Herzstillstand, wenn Spiros wieder einmal viel zu nah an einer Hausecke, einem großen Ast oder einem Felsen vorbeifährt. Den Leuten, die auf der linken Seite sitzen, geht es nicht besser, denn sie sehen regelmäßig den Gegenverkehr, im schlimmsten Fall auch ein Bus, ungehalten genau auf sich zurasen.

Wir fahren die Ostküste Korfus entlang bis zur nächsten Haltstelle: der Meerenge, an der man die Küste Albaniens am besten sehen kann. Von weit oben sehen wir eine Fischzucht, Maikos weiß allerdings nicht, worum es sich dabei handelt – er isst kaum Fisch. Genauso wie er den süßen Kumquatlikör nur als Kind mochte. Durch die Reiseführerin des französischen Buses erfahre ich, dass an dieser Stelle die südliche Küste Korfus selbst, die albanische sowie die griechische Festlandküste zu sehen ist, und kann die verschiedenen Küsten nun auch identifizieren.

Als nächstes halten wir noch in einem Touri-Städtchen, dessen Namen ich vergessen habe. Dort sieht es aus wie überall: ein Hotel, eine Autovermietung und ein Spar-Markt, jeweils unterbrochen durch eine Cocktailbar und einen von 554637 Souvenirshops. Fritz und Margarethes Tatendrang, viel von der Insel zu sehen nach zu urteilen, hätte ich mit mehr Motivation von ihrer Seite gerechnet. Allerdings begeben sich die beiden stets auf dem schnellsten Weg zur nächsten Bar, wenn sie den Bus überhaupt verlassen. Meistens bleiben sie sitzen und machen Fotos durchs Fenster. Den Bars ist aber offensichtlich geschuldet, dass Fritz mittlerweile stark nach Ouzo riecht. Am Ende warten wir schon wieder auf den österreichischen Suffkopf, während Maikos uns informiert, dass Yassas Auf Wiedersehen und Yamas Prost heißt. Wichtiges Vokabular, muss ich mir merken, denke ich. Nach einem weiteren Halt für Fotos von der albanischen Küste begeben wir uns auf die Rückfahrt zum Hotel. Die Deutschen der anderen Hotels steigen aus und die Franzosen aus unserem Hotel wieder ein. Mir fällt auf, dass einer von ihnen aussieht wie Sky du Mont. Ich schlafe ein und wache erst am Hotel wieder auf. Ein Glück, so langsam hat es mir auch gereicht mit den Irren von der Neckermann-Gruppe.

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